Auf einen Blick
- Der beschleunigte Ausbau der Offshore-Windenergie stellt Stromnetze auf See vor neue Herausforderungen: Technische Komplexität und Wechselwirkungen zwischen den Komponenten bergen ein hohes Risiko für den stabilen Offshore-Netzbetrieb.
- Um diese Risiken besser zu verstehen und zu minimieren, wird im Forschungsprojekt ENGEL eine weltweit einmalige Testkapazität für die Netzintegration zukünftiger Anlagen mit einer Nennleistung von bis zu 30 MW aufgebaut.
- Ziel ist die Entwicklung von Testmethoden und standardisierter Prozesse zum Anschluss der Windparks an HVDC-Systeme.
- Das Fraunhofer IWES bringt unter anderem seinen 10 MW-Gondelprüfstand in das Projekt ein.
Herausforderung
Die Offshore-Windenergie soll eine wichtige Säule der klimaneutralen Energieversorgung bilden. Die Bundesregierung verfolgt daher ehrgeizige Ausbauziele: Bis 2030 sollen 30 GW, bis 2045 bereits 70 GW in deutschen Seegebieten installiert sein.
Diesem Ziel stehen jedoch technische Probleme und ein noch fehlender ganzheitlicher Netzintegrationsprozess entgegen. Der derzeitige Betrieb der Offshore-Netze zeichnet sich durch fehlende Puffer zur Energiespeicherung und eine geringe Impedanz zwischen den Komponenten aus. Starke Wechselwirkungen zwischen den Windturbinen sowie den Windturbinen und den HGÜ-Konvertern sind die Folge. Technische Neuerungen in den kommenden Generationen von Offshore-Windenergieanlagen führen darüber hinaus zu höherer technischer Komplexität der Offshore-Energieversorgungssysteme (OEVS). Gleichzeitig fehlen übergeordnete regulatorische und planerische Prozesse, um ein stabiles OEVS zu betreiben.
Lösung
Das Projekt ENGEL wird die Grundlagen für einen strukturierten und allgemein gültigen Prozess zum Anschluss von Offshore-Windparks legen. In der ersten Phase wird eine weltweit einmalige, auf Netzintegrationstest von Offshore-Windenergieanlagen bis zu 30 MW spezialisierte Testeinrichtung aufgebaut und in Betreib genommen, die die Komponenten der Turbinen mittels einer virtuellen Hardware-in-the-Loop (HiL)-Umgebung realitätsnah nachbildet.
Die zweite Phase greift die erweiterten Anforderungen des Offshore Grid Code sowie die Validierung der Impedanzmodelle gemäß dem aktuellen Stand der Wissenschaft auf und erprobt Methoden der EMT-Modell-Validierung für die derzeit größten Offshore-Windenergieanlagen. Die dritte Phase entwickelt ein HiL-Framework auf der Basis von intelligenten, komponentenbasierten Validierungsmethoden, um über die Tests an einer einzelnen Turbine hinausgehend das Betriebsverhalten des realen Windparks mit einzubeziehen. Mittels szenarienbasierter Tests wird überprüft, ob das Verhalten der Offshore-Turbine auch in dem realen Betrieb dem des Modells entspricht.
Das projektkoordinierende Fraunhofer IWES überführt unter anderem große Teile der Infrastruktur des institutseigenen 10 MW-Gondelprüfstandes in eine Weiternutzung in der 30 MW-Testeinrichtung ENGEL. Parallel zum Projekt wird das IWES einen Lenkungskreis der wichtigsten Stakeholder zur Erarbeitung eines Gesamtprozesses zur Diskussion künftiger Anforderungen initiieren.
Mehrwert
Das Projekt ENGEL trägt zu einer Risikominimierung im Betrieb von Offshore-Energieversorgungssystemen und damit zu einer sicheren Energieversorgung bei. Windparkplanern und Übertragungsnetzbetreibern stehen künftig frühzeitig verlässliche Modelle für die Planung von Windparks zur Verfügung. Der Lenkungskreis wird sicherstellen, dass bei Planung und Betrieb der jeweils aktuelle Stand der Technik von allen Stakeholdern einbezogen werden kann. Zudem steht das weltweit einzigartige Testfeld des Fraunhofer IWES künftig für die Erprobung innovativer Verfahren zur Verfügung.