Wie genau bilden Systemprüfstände die Realität im Feld ab?

Pressemitteilung /

Während einer zweimonatigen Testkampagne ermitteln Fraunhofer-Wissenschaftler im DyNaLab (Dynamic Nacelle Testing Laboratory), wie die Gondel einer 3 MW-Windenergieanlage von ENERCON auf Störungen im Netz reagiert. Im Rahmen des BMWI-geförderten Forschungsprojektes CertBench wird dabei auch untersucht, welche Auswirkungen unterschiedlich detaillierte Modellierungen der im Prüfstand nicht vorhandenen Komponenten der Turbine auf die Ergebnisse haben. Im Anschluss an die Prüfung in Bremerhaven steht eine weitere Testkampagne beim Projektpartner RWTH Aachen an. Danach wird feststehen, wie genau die im Feldtest ermittelten elektrischen Eigenschaften der Anlage mit den Ergebnissen aus Labortests übereinstimmen. Die gleichwertige Anerkennung von Prüfstandstests für die Zertifizierung kann den Entwicklungsprozess deutlich beschleunigen und die Markteinführung vereinfachen.

Bisher werden für die Zertifizierung neuer Windenergieanlagen-Typen Messdaten aus Feldversuchen herangezogen; im Projekt CertBench wollen die Verbundpartner nachweisen, dass typische Netzfehler wie Spannungseinbrüche oder Frequenzschwankungen ebenso realistisch auf einem Systemprüfstand nachgebildet werden können. Im künstlichen Netz ist es möglich, bestimmte Netzfehler beliebig oft und „auf Knopfdruck“ herbeizuführen und damit die Zertifizierungsanforderungen gut planbar zu erfüllen. Dadurch ist für Hersteller ein signifikanter Zeitgewinn möglich.

Realistische Lasten und Wechselwirkungen zwischen Gondel und Rotor werden mithilfe von Echtzeitmodellen und prüfstandsseitigen Regelalgorithmen für den Hardware-in-the-Loop (HiL)-Betrieb nachgebildet. Die Gondel befindet sich dabei als reale Hardware auf dem Prüfstand, aber der Rotor wird virtuell nachgebildet und das Drehmoment aus der Anströmung während der Versuche berechnet. Es wird als Sollwert für die Prüfstandsantriebe vorgegeben und deren Rückwirkung wird wieder direkt in das Rotormodell zurückgeführt. So lässt sich der Rotor kalkulatorisch realistisch abbilden.

„Im HiL-Betrieb kann die komplette Windenergieanlage geprüft werden, obwohl nur die Gondel auf dem Prüfstand vor Ort aufgebaut wird. Dadurch sind nur minimale Anpassungen an der Anlagensteuerung nötig“, so Dr.-Ing. Tobias Meyer, Projektleiter Gondelprüfung beim Fraunhofer IWES.

Das Rotormodell wird mithilfe der Software MoWiT, die vollständig im Fraunhofer IWES entwickelt wurde, aufgebaut. Sie ist zum Beispiel in der Lage, die Elastizität der Rotorblätter einer Windenergieanlage mit unterschiedlicher Anzahl von Freiheitsgraden während verschiedener Testläufe abzubilden. Auf diese Weise wird ermittelt, welche Genauigkeit der Modellierung bei der Gondelprüfung ausreichende Ergebnisse liefert – zusätzliche Details erfordert zusätzliche Rechenleistung. Um eine weitergehende Beschleunigung des Entwicklungsprozesses zu erreichen, kann das MoWiT-Rotormodell aus den in der Branche weit verbreiteten Bladed-Modellen abgeleitet werden.

Auf dem Systemprüfstand wird die Gondel für das Projekt CertBench gemäß der Technischen Richtlinie zur Bestimmung der elektrischen Eigenschaften von Windenergieanlagen der FGW geprüft. Die Gondel des Projektpartners ENERCON ist hierfür bereits im Rahmen von Freifeldmessungen zertifiziert. Somit können die im Prüfstandstest ermittelten Ergebnisse direkt mit den vorliegenden Felddaten abgeglichen werden. Eine Validierung der Testmethode ist damit gegeben.

Zur Generierung einer branchenweiten Akzeptanz von Systemprüfständen als anerkannte Testeinrichtung von WEA wird die aktuelle Kampagne einen wesentlich Meilenstein setzen“, so Heiko Röttgers, Projektleiter im CertBench-Projekt der Firma Wobben Research and Development GmbH.

Sollte nachgewiesen werden können, dass die elektrischen Eigenschaften einer Windenergieanlage auf dem Prüfstand genau so zuverlässig bestimmbar sind wie im Feld, hätte dies weitreichende Folgen für die Zertifizierungspraxis. Die Projektpartner bringen die Ergebnisse aus CertBench in die relevanten Gremien für Normen und Richtlinien ein. Dadurch schaffen sie bereits mittelfristig die Aussicht auf eine deutliche Verkürzung des Zertifizierungsprozesses.

 

Rahmendaten zum Projekt


Langtitel: CertBench – Systematische Validierung von Systemprüfständen anhand der Typprüfung von Windenergieanlagen

Projektdauer: 01.06.2017 – 30.11.2019

Geförderte Projektpartner: CWD an der RWTH Aachen, FGH Zertifizierungsgesellschaft mbH, DEWI (UL International GmbH), ENERCON GmbH

Fördervolumen: ca. 4 Mio. Euro

Förderkennzeichen: 0324200

© Jan Meier
Per Modulfahrzeug zur Prüfung: Die CertBench-Gondel ist bereit.
© Jan Meier
Kurz vor dem Andocken an der Plattform. Jede Gondel benötigt einen individuellen Anschluss.

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