Verbund untersucht Validierung von Testmethoden
Anlagenzertifizierung auf dem Prüfstand
Das Projekt CertBench geht in die zweite Phase: Um die Voraussetzungen für die Zertifizierung der elektrischen Eigenschaften von Windenergieanlagen auf Systemprüfständen zu schaffen, stehen weitere wissenschaftliche Arbeiten und verschiedene experimentelle Tests auf dem Plan: Die Gondel einer 3 MW-Anlage des Projektpartners ENERCON wird im Dynamic Nacelle Testing Laboratory (DyNaLab) Tests der zur Zertifizierung relevanten Richtlinien durchlaufen. Realistische Lasten und Wechselwirkungen zwischen Gondel und Rotor werden mithilfe von Echtzeitmodellen und prüfstandsseitigen Regelalgorithmen für Hardware-in-the-Loop (HiL)-Betrieb nachgebildet. Der Abgleich der Testergebnisse mit Felddaten ermöglicht eine Validierung der Testmethoden. Die beschleunigte Prüfung unter Laborbedingungen hat das Potential, Herstellern die Planbarkeit der Markteinführung neuer und modifizierter Anlagenmodelle erheblich zu erleichtern.
Im Rahmen des Teilprojekts zur Validierung von Testständen wurde auf dem Systemprüfstand des Fraunhofer IWES in Bremerhaven eine ENERCON Gondel aufgebaut. Nach ersten erfolgreichen Vortests nach TR3 und erfolgreicher Erprobung des HiL-Teststandbetriebs kann es nun richtig losgehen: Es gilt zu beweisen, dass die netzseitigen Lasten durch das virtuelle 36.000 Volt-Mittelspannungsnetz im Fraunhofer DyNaLab realistisch abgebildet werden können. Damit wären die elektrischen Eigenschaften einer Windenergieanlage auf dem Prüfstand genau so zuverlässig bestimmbar wie im Feld.
Bisher werden für die Zertifizierung neuer Windenergieanlagen-Typen Messdaten aus Feldversuchen herangezogen; im Projekt CertBench wollen die Verbundpartner nachweisen, dass typische Netzfehler wie Spannungseinbrüche und Spannungsüberhöhungen ebenso realistisch auf einem Systemprüfstand nachgebildet werden können. Im künstlichen Netz ist es möglich, bestimmte Netzfehler beliebig oft und „auf Knopfdruck“ herbeizuführen und damit die Zertifizierungsanforderungen zeitsparend und gut planbar zu überprüfen.
„Der Diversifizierung unterschiedlicher Märkte innerhalb kurzfristiger Entwicklungszyklen nachzukommen, sehen wir als gemeinsame Ziele in der Qualifikation des Prüflings auf einer Prüfeinrichtung,“ sagt Uwe Helmke, Bereichsleiter System Test und Optimierung bei ENERCONs Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft WRD.
Experten des CWD an der RWTH Aachen und am Fraunhofer IWES wollen mit Unterstützung der Zertifizierungsstelle FGH und des DEWI im Rahmen des BMWi-geförderten Projektes den Einfluss der Prüfeinrichtung auf Prüfling und Messgrößen quantifizieren.
„Nach erfolgreichen Vortests freuen wir uns, unsere leistungsfähige Testinfrastruktur für die Suche nach Antworten auf zentrale Fragestellungen zur Netzintegration einsetzen zu können und gemeinsam mit ENERCON zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln,“ so Prof. Jan Wenske, Bereichsleiter Anlagen- und Systemtechnik am Fraunhofer IWES.
Parallel zu den Testaktivitäten werden in der jetzt angelaufenen Projektphase die wissenschaftlichen Vorarbeiten weiter vertieft. Für HiL (Hardware-in-the-loop)-Testverfahren benötigt man klassischerweise herstellerspezifische Anlagendaten – deren Weitergabe steht im Konflikt mit Geheimhaltungsklauseln. Daher werden am IWES spezielle Modellstrukturen (sog. Black- oder Grey-Box Modelle) entwickelt und Verfahren untersucht, die Herstellern ermöglichen sollen, ohne die Preisgabe geheimhaltungsrelevanter Daten ausreichend genaue Testergebnisse anhand einer soliden Modellbasis zu erhalten.
Der Aufbau und die Inbetriebnahme eines „virtuellen Prüfstandes“, an dem die Entwicklung von HiL-Testverfahren unabhängig von der aktuellen Prüfstands-Belegung erfolgen kann, ist ein weiterer Schwerpunkt im Teilprojekt des Fraunhofer IWES. Bestandteil der Simulationsumgebung werden mehrere Steuerungseinheiten sein, die der Hauptsteuerung des Prüfstandes, der Antriebseinheit beziehungsweise der Steuerung zur Emulation der Prüfstands- und Prüflingsdynamik entsprechen. Das darauf abgestimmte HiL-System bildet das physische Gesamtsystem ab und berücksichtigt dabei auch signal- und systembedingte Latenzzeiten bei der Prüfung auf dem Teststand ab.
Bereits während der Projektlaufzeit bringen die Partner Ergebnisse in die relevanten Gremien für Normen und Richtlinien ein, so dass bereits mittelfristig mit der Möglichkeit einer deutlichen zeitlichen Verkürzung des Zertifizierungsprozesses zu rechnen ist.
Rahmendaten zum Projekt
Langtitel: CertBench – Systematische Validierung von Systemprüfständen anhand der Typprüfung von Windenergieanlagen
Projektdauer: 01.06.2017 – 30.11.2019
Geförderte Projektpartner: CWD an der RWTH Aachen, FGH Zertifizierungsgesellschaft mbH, DEWI (UL International GmbH), ENERCON GmbH
Fördervolumen: ca. 4 Mio. Euro
Förderkennzeichen: 0324200
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